Robert-Hochner-Preis 2021

AUSZEICHNUNG

Die Jurybegründung:

Alexandra Wachter bereitet sich auf Interviews und Moderationen akribisch vor. Sie zeichnet sich dadurch aus, immer faktenbasiert und sachlich zu agieren, aber dabei nicht locker zu lassen. Sie führte in den vergangenen Monaten herausragende politische Interviews mit Regierungsmitgliedern, darunter dem Bundeskanzler. Dabei blieb sie auch bei Provokationen immer sachlich und bewies ihr eigenständiges Denken überzeugend. Wachter sieht es als ihre Aufgabe, Schwächeren eine Stimme zu geben. Sie bringt deren Positionen in Interviews mit der Spitzenpolitik ein und widmet sich in Beiträgen und Reportagen oft Minderheiten, den Betroffenen von Gewalt und sozial Diskriminierten, sowie der Gleichstellung der Frauen.


Meine Dankesrede für den Robert-Hochner-Preis:

Dass ich heute hier stehen darf, das ist alles andere als selbstverständlich. Mein Lebensweg war nicht klassisch und nicht gerade, er war eckig und kantig und manchmal unendlich schwierig.

Ich wurde einen Tag vor meinem 17. Geburtstag durch das plötzliche Ableben meines Vaters zur Halbwaise, meine Mama und ich standen vor dem finanziellen Ruin und kurze Zeit später war ich mit 18 Jahren schwanger und hatte noch keinen fertigen Schulabschluss.

Und ich erzähle das heute deswegen, weil meine Lebensgeschichte die Geschichte vieler Frauen in Österreich sein kann. Viele von uns wissen, was es heißt, wenn man immer wieder in finanzielle Bedrängnis kommt. Und ich hätte mir damals in den Stunden der Dunkelheit und der Verzweiflung gewünscht, dass jemand, der es auch nicht leicht hatte und der seinen Weg im Leben vielfach erkämpfen musste, mir erzählt, dass alles wieder besser werden kann.

Und die Betonung liegt auf kann, denn es gehört - wie auch schon ganz am Beginn des Lebens bei der Geburtslotterie - viel Glück und Unterstützung durch das eigene familiäre Umfeld dazu.

Hätte ich es geschafft, meine heute fast 13-jährige Tochter großzuziehen, die Matura zu machen, die Universität zu besuchen und meine Passion für den Journalismus zu leben, wenn der Sozialstaat meine einzige Chance gewesen wäre? Wohl kaum.

Deswegen möchte ich hier heute für mehr Empathie plädieren und dafür, dass wir als Gesellschaft dorthin schauen, wo es Schieflagen gibt.

Wir sollten nicht akzeptieren, dass Kindergartenplätze fehlen, dass Bildung vererbt wird, dass Steuerbelastungen so verteilt werden, dass jene die eh schon viel leisten, aber nicht reich sind, den Hauptteil der Last tragen müssen und jene die reich sind, Privilegien und Schlupflöcher haben, dass Frauen in Führungsebenen stark unterrepräsentiert sind, Geschlechtergerechtigkeit ein Traum bleibt und Frauen weiterhin von Gewalt durch Männer bedroht sind.

Zu all diesen Punkten gibt es Lebensgeschichten, die wir als Journalistinnen und Journalisten erzählen können – wir können anderen eine Stimme geben und den Blick für das große Ganze öffnen und unseren Teil beitragen. Das ist der gesellschaftspolitische Aspekt unserer Arbeit.

Es ist mir zudem ein Anliegen, heute auch noch auf einen anderen Aspekt einzugehen, und zwar jenen der unabhängigen Berichterstattung. Und da möchte ich gerne einen Teil meiner Rede zitieren, die ich beim Walther Rode-Preis gehalten habe. Denn der Grund, warum ich heute hier stehen darf, ist jener meiner Renitenz.

Wenn wir unseren Beruf und das, was uns als Journalist*innen ausmacht, verteidigen wollen, dann muss es unser Ziel sein, selbstbewusst und standhaft gegenüber Obrigkeiten jeglicher Richtung aufzutreten. Und diesen Widerstand, den kann eine einzelne Person leisten oder auch eine Gruppe gemeinsam. Aber wenn die Politik versucht in unsere Arbeit einzugreifen oder wir aufgrund unserer kritischen Fragen von Politiker*innen attackiert werden, müssen wir Widerstand leisten. Jeder Eingriff in unsere journalistische Freiheit ist der Anfang vom Ende unserer Republik wie wir sie kennen.

Unsere Aufgabe ist es Fragen zu stellen und Licht an jene Orte zu bringen, die lieber im Dunkeln bleiben wollen. Der Politik sei hiermit also gesagt: Viele Journalistinnen und Journalisten in Österreich nehmen ihren Job sehr ernst und üben ihn mit größter Gewissenhaftigkeit aus und deswegen kann zwar viel Dunkelheit erzeugt werden, wir und die unabhängige Justiz, wir werden das Licht dennoch immer wieder anmachen und zeigen, was hinter dem Vorhang passiert, wenn vor dem Vorhang eine glanzvolle Aufführung präsentiert wird.

Und es liegt jetzt an uns und unserer gesamten Branche, diese Zäsur, die wir in den letzten Tagen gesehen haben, zu analysieren und das Momentum zu nützen. Wir müssen uns dafür stark machen, dass wir wegkommen von einer willkürlichen Inseratenverteilung durch die Politik, die anfällig ist für Korruption und müssen hin zu einer nach Qualitätskriterien verteilten Medienförderung. 

Was hier heute also ausgezeichnet wird, ist unabhängige Berichterstattung und unsere Aufgabe als Journalistinnen und Journalisten, der Politik kritische Fragen zu stellen. Dieses Gut müssen wir alle gemeinsam bewahren und schützen und dafür müssen wir uns einsetzen.

Dass dieser Einsatz gesehen wird, ist nicht selbstverständlich und deswegen möchte ich mich bei der Jury für diese große Auszeichnung und Ehre noch einmal bedanken und möchte erwähnen, dass ich einen Teil des Preisgelds an das SOS-Kinderdorf spenden werde.

Zum Schluss geht mein Dank noch an jene Menschen, die mein Herz erfüllen: Mein Mann und bester Freund, der jeden Tag an mich und meinen Weg glaubt und all meine Ideen mit mir bespricht, meine Eltern, die mir immer gesagt haben, dass man alles schaffen kann, meine Schwester für ihre Vorbildwirkung und weil sie mir früh vermittelt hat, warum wir alle Feminist*innen sein sollten, mein Onkel, meine Tante und der Mann meiner Mutter, weil sie da waren, als es dringend notwendig war, meine Freundinnen und Freunden für das Gefühl, niemals alleine zu sein, den Frauen im Frauennetzwerk Medien, weil wir uns gemeinsam für mehr Gerechtigkeit in den Medien einsetzen und den männerdominierten Führungsetagen regelmäßig den Spiegel vorhalten, meine Kolleginnen und Kollegen bei PULS 4, weil sie mich damals und auch heute unterstützt haben und man im Fernsehen immer nur so stark ist wie sein Team, meinen bisherigen Führungskräften, weil sie mir viele Chancen gegeben haben, durch die ich an meinen Aufgaben wachsen konnte und allen voran geht mein Dank an meine beiden Töchter – meine große Amelie, die mein Leben jeden Tag aufs Neue bereichert und die mit mir gemeinsam gewachsen ist und meine kleine Babytochter Maxima, die so viel Liebe in unser Leben gebracht hat. Vielen Dank!

DIE verleihung:


Presse-Clippings: